Sind Beschäftigte innerhalb eines Jahres ununterbrochen oder wiederholt insgesamt länger als sechs Wochen arbeitsunfähig krank, ist durch den Arbeitgeber gem. § 167 Abs. 2 SGB IX ein Betriebliches Eingliederungsmanagement anzubieten und bestenfalls durchzuführen. Das BEM ist Teil der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers und die Einführung des Eingliederungsmanagements ein Prozess.
1. Schritt: Arbeitsunfähigkeit feststellen
Der Arbeitgeber erkennt, wenn der Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres mehr als 6 Wochen am Stück oder durch häufige Kurzerkrankungen arbeitsunfähig erkrankt war.
2. Schritt: Kontaktaufnahme mit Arbeitnehmer und Einladungsschreiben
Bei der ersten Kontaktaufnahme sollte auf eine wertschätzende Ansprache Wert gelegt werden, auch um das Interesse des Betroffenen am BEM zu wecken. Es sollten zugleich erste Informationen zum BEM vermittelt werden, jedoch ohne den Betroffenen unter Druck zu setzen. Der Betroffene ist über die Freiwilligkeit, Vertraulichkeit und das Erfordernis seiner ausdrücklichen Zustimmung zum Hinzuziehen von weiteren Teilnehmern aufzuklären. Für die Erstinformation und Einladung zum Erstgespräch empfiehlt sich aus Beweisgründen die Schriftform.
Signalisiert der Arbeitnehmer, dass er nicht an einem BEM-Verfahren interessiert ist, endet es an dieser Stelle.
3. Schritt: Erstgespräch
Dieser Schritt ist der sensibelste, weswegen die Teilnehmerzahl überschaubar gehalten werden sollte.
Als unerwünschte Nebenfolge zu vieler Teilnehmer könnte andernfalls der Anschein eines nicht mehr vertraulichen Verfahrens erweckt werden.
Die Inhalte des Gesprächs sollten sich auf die betrieblichen Ursachen der Erkrankungen, deren Auswirkung auf den konkreten Arbeitsplatz und die damit verbundenen Einschränkungen beziehen. Darüber hinaus sollten das Leistungspotential und die Kenntnisse und Fähigkeiten des Betroffenen herausgestellt werden, um damit nach Lösungsideen und Perspektiven für die Mitarbeiter zu suchen.
Spätestens vor dem Erstgespräch sollte die Einwilligung als auch die mögliche Ablehnung des Arbeitnehmers zur Durchführung des BEM-Verfahrens schriftlich eingeholt werden.
Ziel des Erstgesprächs ist, das Interesse des Betroffenen an der Zusammenarbeit aufrechtzuerhalten.
4. Schritt: gemeinsame Fallbesprechung und Maßnahmenplan entwickeln
Dieser Schritt wird genutzt, um Möglichkeiten und Grenzen aufzuzeigen. Maßnahmen wie eine Arbeitsplatzanpassung, die Veränderung der Arbeitszeiten oder der Arbeitsorganisation werden erörtert und ggf. deren Reihenfolge festgelegt. Weitere Maßnahmen können je nach Notwendigkeit auch von externen Partnern ggf. nach vorheriger Beantragung durch den Betroffenen oder den Arbeitgeber erbracht werden.
5. Schritt: Maßnahmen durchführen
Bei der Umsetzung der Maßnahmen sollte der Mitarbeiter begleitet werden. Stellt sich heraus, dass einige Maßnahmen noch angepasst werden müssen, ist deren Durchführung zu korrigieren.
6. Schritt: Eingliederung bewerten und Abschlussgespräch führen
Das BEM ist ein Prozess, auch nach dem letzten Schritt kann nicht davon ausgegangen werden, dass es tatsächlich beendet ist. Wird das BEM jedoch beendet, sollte das mit einer entsprechenden Information an den Arbeitnehmer mitgeteilt werden. Auch nach einem „abgeschlossenen“ BEM ist empfehlenswert weiterhin Kontakt mit dem Betroffenen zu halten, um eventuell auftretende Probleme oder gesundheitliche Einschränkungen frühzeitig erkennen und beseitigen zu können.
Das BEM-Verfahren beruht auf der freiwilligen Teilnahme des Arbeitnehmers, welcher stets „Herr des Verfahrens“ ist. Der Erfolg hängt nicht zuletzt von der Bereitschaft des Mitarbeiters ab, seine personenbezogenen Daten in Form von Beeinträchtigungen oder gesundheitlichen Beschwerden zu offenbaren, um daraus Maßnahmen ableiten zu können.
Die Initiierung des BEM, d. h. die Ermittlung der BEM-Berechtigten, die Weitergabe dieser Information an den Betriebsrat sowie die Erstinformation und das Einladungsschreiben werden durch gesetzliche Grundlagen und datenschutzrechtlich durch § 26 BDSG gedeckt.
Der Arbeitnehmer muss jedoch vor dem Erstgespräch einwilligen, dass seine personenbezogenen Daten erhoben, verarbeitet und genutzt werden können. Damit geht die ausführliche Information über die erfolgende Datenverarbeitung einher.
Zu den Daten, die verarbeitet werden dürfen, gehören die Sozialdaten, die Einladung zum BEM, der Nachweis der Teilnahme, Daten zum Arbeitsplatz und den Arbeitsbedingungen, die Übersicht über die Fehlzeiten sowie die Dokumentationen über Arbeitserprobungen, Verläufe und Ergebnisse von Maßnahmen, z.B. zur stufenweisen Wiedereingliederung und über innerbetriebliche Umsetzung und Anpassung des Arbeitsplatzes.
Sämtliche vorgenannten Dokumentationen werden in einer separaten Personalakte (BEM-Akte) aufbewahrt.
Zu den Daten, die nicht in die Personalakte aufgenommen werden dürfen, gehören:
- ärztliche Aussagen und Gutachten über Diagnose, Krankheitsursache, Behandlungsverlauf und aktueller Gesundheitszustand
- Stellungnahme der Reha-Träger oder des Integrationsfachdienstes
- Gesprächsnotizen oder Protokolle des BEM-Teams
Die Durchführung eines BEM findet durch die Arbeitsgerichte grundsätzlich auch beim Ausspruch einer personenbedingten – d .h. krankheitsbedingten – Kündigung im Rahmen der Prüfung nach dem Kündigungsschutzgesetz Berücksichtigung. Das BEM hat demnach kündigungsschutzrechtliche Bedeutung, zwar nicht als formelle Wirksamkeitsvoraussetzung, aber als Grundlage für die Verhältnismäßigkeitsprüfung.
Der Kündigung hat – sofern möglich – stets ein milderes Mittel voranzugehen. Diese milderen Mittel können durch das BEM als Maßnahmen (etwa Reduzierung oder Umgestaltung der Arbeitszeit, Einsatz technischer Hilfen, Umsetzung innerhalb des Unternehmens) eruiert werden.
Verzichtet ein Arbeitgeber vor Ausspruch einer krankheitsbedingten Kündigung darauf, diese milderen Alternativen zu einer Kündigung zu identifizieren, muss er im Auseinandersetzungsfalle beweisen können, dass auch bei Durchführung eines BEM das Arbeitsverhältnis nicht hätte erhalten werden können.